Mittwoch, 30. Mai 2007

Nutzerumverteilung und neue Medienära

Die großen Internetunternehmen T-Online, Yahoo, MSN und AOL haben im vergangenen Jahr an Reichweite im Internet verloren, berichtet FAZ.net, vor allem gegen Web-2.0-Anbieter wie Wikipedia, Myvideo oder StudiVZ.

Die beliebteste Web-2.0-Seite der Deutschen sei Wikipedia, die von 33 Prozent aller Nutzer aufgesucht wird, hat Nielsen-Netratings gemessen. Wikipedia, Youtube und Myspace hatten demnach von Januar auf Februar demnach überraschenderweise die loyalsten Nutzer. Eine Tatsache, der wir in der Studie "Klicks, Reizwörter, Quoten" (Kapitel V., S. 46ff.) unter dem Stichpunkt "Soziale Netzwerke" nachgehen.

Zu dem Thema hatte sich kürzlich auch Ciscos Vizepräsident Dan Scheinman geäußert. Er sagte Anfang Mai, dass soziale Netzwerke zukünftig den Medienkonsum bestimmen. Damit dürfte das Medienhaus gut aufgehoben sein, das für virtuelle Netzwerke die besten Angebote bereithält, um Informationen in Foren, Gruppen, und Netzwerkblogs gut zugänglich zu machen, beispielsweise über exzellente RSS-Feeds.

Der Cisco-Vize sieht im Web 2.0 den Beginn einer neuen Medienära. Unternehmen können anhand von sozialen Netzwerken am besten verstehen, wie in Zukunft Content verbreitet und konsumiert werden wird, berichtet der Branchendienst ZDnet. Scheinman wird zitiert mit den Worten: "Wir erleben den Beginn einer neuen Medienära, in der die Konsumenten die Werte und die Kreativität bestimmen."

Sonntag, 27. Mai 2007

Totenschiff Online-Redaktion

Gestern erzählte mir ein Kollege auf einer Party, wie stark gerade die Gehälter im Journalismus verfallen. Konkret ging es um n-tv, deren Manager sich angeblich rühmen, teilweise Jahresgehälter von lächerlichen 25.000 bis 27.000 Euro zu zahlen: für Vollzeit-Redakteure! Selbst (Print-)Volontäre haben vor fünf oder sieben Jahren 10.000 Euro mehr bekommen.

Erfahrungen aus Online-Redaktionen sind mitverantwortlich dafür, dass die Gehälter mit einer solchen Verve gedrückt werden. Viele Verlage haben bei ihren Online-Produkten erfolgreich mit neuen Beschäftigungsbedingungen (Kollegen werden nicht als Redakteure, sondern als Content Manager eingestellt, um ihnen gewissen Sozialleistungen streichen zu können) experimentiert. Diese unheilvollen Erfahrungen werden jetzt auf Printredaktionen übertragen. Online-Redaktionen erweisen sich als Speerspitze eines industrialisierten Journalismus, zum Vorboten ökonomischen Ausrichtung aller Produktionsprozesse.

Ziel der Verlage und Medienhäuser ist es, möglichst viele Inhalte zu möglichst geringen Kosten zu produzieren. Das ist im Prinzip in Ordnung und die Grundlage ökonomischen Handelns.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist aber die institutionalisierte Mangelverwaltung zu einem Kennzeichen der Arbeit in Redaktionen geworden. Dem Mangel an Personal und materieller Ausstattung begegnen viele Verlage mit der Entwicklung neuer Schichtsysteme, die das Defizit ausgleichen sollen. Das führt zu Fließband-Journalismus mit allen schlimmen Begleiterscheinungen - vor allem aber geht die Identifikation mit dem journalistischen Produkt verloren.

Und das führt dann eben dazu, dass Online-Journalismus für Journalisten keine sonderlich attraktive Karriereperspektive bietet und die Tätigkeit als Online-Redakteur in den Ursprungsredaktionen häufig nicht sehr hoch angesehen ist.

Latent verbirgt sich hinter den niedrigen Gehältern und industrialisierten Produktionsbedingungen natürlich auch eine Verachtung, die gerade Verlagskaufleute den (Online-)Journalisten entgegen bringen.

Und die lässt sich auch aus der Historie erklären. Das geringe Ansehen der Arbeit in Online-Redaktionen und der schlechte Leumund der Web-Redakteure geht auf Versäumnisse in den Boomzeiten zurück. Ende der Neunziger Jahre war es derart schwierig, geeignetes Personal für Online-Redaktionen zu finden, dass die Medienhäuser sogar hohe Kopfprämien für die erfolgreiche Vermittlung von Journalisten zahlten. Viele Verlage stellten angesichts des Personalmangels wahllos Berufsneulinge oder Quereinsteiger ein. Unter diesen waren nicht selten auch unzureichend qualifizierte Journalisten, was zu einer Stigmatisierung der „Onliner“ beitrug.

Mir sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen genau dies geschah – dass also Kollegen, die man aufgrund ihrer Arbeitseinstellung oder aufgrund gesundheitlicher Probleme in den Printredaktionen loswerden wollte, in die Online-Redaktionen versetzte. Die Folge: In vielen Online-Redaktionen wurde und wird Frust geschoben, Dienst nach Vorschrift geleistet und das Ziel der meisten Redakteure ist klar: Eines Tages rauskommen aus der Online-Redaktion zu Print. Bloß runter vom Totenschiff.

Die Zusammensetzung der Online-Redaktionen ist inzwischen wissenschaftlich erforscht. Der typische Online-Journalist ist danach auffallend jung. Mehr als die Hälfte der Online-Journalisten sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, während es in der Gesamtheit der Journalisten nur 42 Prozent sind. Berufsanfänger machen 15 Prozent der insgesamt erfassten Online-Journalisten aus; 16 Prozent sind Quereinsteiger, die vorher nicht journalistisch tätig waren. Lediglich ein Drittel der Journalistinnen und Journalisten hat ein Volontariat absolviert. Diese Fakten bestätigen die Annahme, dass im Online-Journalismus zumindest in den Anfangstagen tatsächlich ein relativ geringer Professionalisierungsgrad herrschte.

Zum Imageproblem kommen nach wie vor diverse Einschränkungen, die versierten Redakteuren die Arbeit in Online-Redaktionen verleiden: Der Mangel an Möglichkeiten, Artikel zu recherchieren und (unter eigenem Namen) zu schreiben; die begrenzten Reisemöglichkeiten; die Einbuße an Statussymbolen wie eigene Büros, zum Teil auch Dienstwagen oder Blackberrys; die Unmöglichkeit, im nennenswerten Umfang an Ausschüttungen der VG Wort beteiligt zu werden und schließlich der Schichtdienst lassen den Beruf des Online-Journalisten im Vergleich zum Berufsbild vieler Printredakteure wenig attraktiv erscheinen.

Die Unterschiede in den Arbeitsbedingungen verfestigen innerhalb der Redaktionen den Eindruck einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Allerdings gibt es einen Trost (-; Es zeichnet sich ab, dass sich die Arbeitsbedingungen der Print-Redaktionen denen im Online-Journalismus angleichen werden, so dass im Laufe der kommenden Jahre mit einer Nivellierung auf niedrigerem Niveau zu rechnen ist.

Samstag, 26. Mai 2007

Fiese Fundsachen

Sex sells, sagt die abgegriffenste Zeitungs-Blattmacher-Weisheit, die ich kenne. Und über Online-Teaser, in denen die Signal-Wörter Sex, Eklat, Blutbad, Drama vorkommen, haben wir hinlänglich geklagt. Da aber das schnöde Wort Sex aber offenbar nicht mehr reicht, um Klicks zu generieren (weil das Publikum abgestumpft ist? weil es alle machen?), drehen einige Kollegen die Schraube Tag für Tag noch ein bisschen weiter (-; Frische Fundsachen: Sperma als Salatsoße bei Spiegel Online und die Designer-Vagina bei Welt Online.

Donnerstag, 24. Mai 2007

Post vom Medienwissenschaftler zum Markt

Robin Meyer-Lucht hat sich heute in einer ausgeschlafenen Analyse zum Thema "Virtualienmarkt: Überlebt der Journalismus den Markt?" auf perlentaucher.de zu Wort gemeldet. Der renommierte Medienwissenschaftler diskutiert unter der Bezeichnung "Zitronen-Journalismus" die Markt- und Zukunftsfähigkeit der hochkarätigen Journaille. Höchst lesenswert und stringent hergeleitet kommt Meyer-Lucht zu folgenden Schlüssen:

"Wenn sich Journalismus allein an Konsumpräferenzen und Verwertungslogiken orientiere, könne er seiner demokratisch-aufklärerischen Aufgabe nicht mehr gerecht werden."

"Qualitätsmedien würden eine gewisse Distanz zum Markt benötigen (...), andernfalls populistischen Tendenzen anheim fallen und an Kritikfähigkeit einbüßen."

Das Internet erweise sich als "furioser Agent einer Liberalisierung innerhalb der Journalismus-Industrie. Wo einst gemütliche Oliopole blühten (und in den Köpfen noch blühen, d.V. ...) herrscht zunehmend die Kreativität der Marktkonformität."

Phänomene, die sich diejenigen Online- und Printpublikationen zunutze machen könnten, die diese Entwicklung als erste antizipieren - und zwar mit einer Gegenoffensive. So stellte Judith Roth bereits im Jahr 2005 in "Die Google-Gesellschaft" fest:

"In Zeiten der Informationsüberproduktion (...) muss (der) Mehrwert sehr genau bestimmt, Tag für Tag umgesetzt und nicht zuletzt auch beworben werden. (...) Das Paradoxe dabei: Je mehr sich der Markt der Informations- und Unterhaltungsangebote ausdifferenziert, umso energischer muss jeder einzelne Anbieter Techniken zur Aufmerksamkeitsgewinnung einsetzen und erarbeiten. Dabei wird die Reizüberflutung jedes Mal ein wenig mehr verstärkt. Für Tageszeitungesverlage liegt darin eine Chance: Als Alltagsmedium kann diee Tageszeitung in den kommenden Jahren ihr Profil noch stärker dahingehend ausrichten, dass sie den Lesern eine Welt erklärt, die immer komplexer zu werden scheint." Das gilt nach Auffassung von Werkkanon in noch stärkerem Maße für die jeweiligen Online-Ableger.

Bloß: Wer agiert so?

Gehetzt nehmen Tageszeitungen den Kampf um die Aufmerksamkeit des abgelenkten Lesers auf, versuchen ihn mit Scoops zu überhäufen und ihm auch die kleinste Abweichung des Einheitsbreis als Exklusivstory zu vertickern. Was dabei kontinuierlich schrumpft: Scoops by thinking.

Focus Online-Chefredakteur Jochen Wegner spricht in derselben Publikation von einer "Googleisierung der Medien" kritisiert seine Redakteurskollegen, die seiner Einschätzung nach "ihre Themen bereits verzerrt wahr(nehmen), nur, weil Google besonders wenig dazu findet oder besonders viel." Und mutmaßt: "Vielleicht werden bestimmte Experten nur deswegen so oft zitiert, weil sie mit Google besonders einfach zu finden sind."

Kommunikationswissenschaftler Prof. Christoph Neuberger spricht in diesem Zuge von einem "Ende des 'Gagekeeper-Zeitalters'" und beschreibt professionelle Online-Angebote als "teuer, weil eine Redaktion unterhalten werden muss, die kontinuierlich Nachrichten sammelt, auswählt, präsentiert und kommentiert." Wegen der immensen Kosten sei das technische Potenzial des Internets - Multimedialität, Interaktivität (...) noch kaum ausgeschöpft. Und im Resultat die Hoffnung auf einen völling neuen Journalismus bislang enttäuscht worden.

Die Entwicklung hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Mangels notwendiger Investitionen, die in Online-Redaktionen fließen und einem parallel stark steigenden Online-Werbemarkt klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der die Werkkanon-Autoren einen üblen Nachgeschmack prognostizieren.

Haben Tageszeitungen zunächst das Feld der Rubrikenmärkte in Print verloren und in Online verpasst aufzubauen - teils aus Angst vor Kanibalisierung - so stehen nun mobile.de, ebay und andere No-Names an der Spitze der Entwicklung.

Dass eines Tages die Informationshoheit in die Diskussion gerät, hätten sich viele Publisher jedoch nicht träumen lassen. Noch belächeln Altgesottene und Besitzstandswahrer neue Formen im Netz als unjournalistisch und fühlen sich sehr sicher in ihren etablierten Positionen. Ignorieren gar, dass ihnen Leserschaft und Einfluss schwinden und sie im Netz schon viel mehr Rezipienten erreichen können. Spätestens wenn ihnen aufgrund solch arroganten Verhaltens die wirtschaftliche Existenz entzogen wird, dürfte jedoch ein Umdenken einsetzen.

Daher werden die im Job überleben, die den Leser in den Fokus rücken und nicht ihr Ego. Die, die wandlungsfähig in Bezug auf das Entstehen neuer Mediengattungen und -kanäle sind. Und die, die bei wandlungsfähigen Herausgebern und Verlegern angestellt sind.

Wie Robin Meyer-Lucht schreibt, in dem er Jürgen Habermas zitiert: "Der Markt funktionier(t) als Bühne der politischen Öffentlichkeit nur so lange, wie die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nicht in die Poren der kulturellen und politischen Inhalte eindringen."

Eine spannende Frage wird sein, ob dies Wirtschaftsjournalisten, die tagein, tagaus über Strukturwandel von Kohle zu Dienstleistung berichten, diese (Medien-)Revolution als Protagonisten treiben oder aus Sturheit auf der Strecke bleiben. Dabei darf nicht vergessen werden: Das Netz ist ein etabliertes Informationsmedium. Es ist nicht neu. Doch agieren einige so, als sei es ein vorübergehendes Phänomen.

Dienstag, 22. Mai 2007

Dünne Suppe und Boulevard

Das Leitmedium Spiegel Online verdankt seinen Erfolg unter anderem der Hinwendung zum (Edel-)Boulevard. Heute findet sich auf einem Aufmacherplatz mal wieder besonders dünne Suppe - ein schönes und typisches Beispiel, was offenbar Klicks und Quoten bringt: Paula Abdul stolpert über einen Chihuahua.

Montag, 21. Mai 2007

Manipulation im Mitmachnetz und Oralsex

Spannender Beitrag auf Spon zum Thema: Verzerrung durch Klicks. Hier erfährt man viel über die vermeintliche Zuverlässigkeit der Pageimpressions als Gradmesser für Qualität und Wertschätzung eines Beitrags sowie die vorgebliche Intelligenz maschinengesteuerter Newssites. Und es ist ein Lehrstück über die vorgebliche Weisheit des Schwarmgeistes und die Klugheit der Massen. Fazit des Spiegel-Autors: "Popularität nährt sich selbst"...

PS: Was mir noch ein Anliegen ist, obwohl mehr als eine Woche alt (habe es vor dem Urlaub nicht mehr geschafft zu posten), ist diese Meldung "Oralsex kann zu Kehlkopfkrebs führen". Diese irrelevante und vermutlich pseudo-wissenschaftliche Geschichte konnten wir auf den führenden Websites rauf und runter lesen: hier und da und auch dort - quasi überall und auf den besten Plätzen. Bei gewissen Reizwörtern, in unserem Fall Sex, findet das Online-Medium eben zu sich - selbst die Internetangebote seriöser Muttermedien schreiben den Unsinn erst einmal auf und bringen später das Dementi. Verschweigen von Anfang an wäre besser gewesen...

Freitag, 18. Mai 2007

Wir sagen Dankeschön!

Liebe Werkkanon-Leser,

sicher habt Ihr Euch gewundert, dass in den vergangenen Tagen im Blog wenig passiert ist. Das lag an unglaublichem Zuspruch und toller Resonanz auf unsere Studie. Die Studie wurde diese Woche an zahlreiche Unis, Chefredakteure, Medienleute in gedruckter Form versendet und seitdem ernten wir eine ganz tolle Resonanz. Allen, denen wir noch nicht persönlich für ihre dankenden, beglückwünschenden oder auch kritischen Zeilen geantwortet haben, sei hiermit offiziell ein Dankeschön ausgesprochen. Wir haben damit unser Ziel erreicht, eine Diskussion über Qualitätsjournalismus im Netz anzuzetteln. Wir freuen uns auch ganz besonders, dass die medien-nahe Blogosphäre - sprich die Blogs, die sich mit der Medienszene beschäftigen - unsere Studie diskutieren. Nicht ausschließlich mit Zuspruch, aber immer sachlich und vorwärtsgerichtet - und darauf sind wir ehrlich gesagt sehr stolz. Hier im Werkkanon-Blog gibt es aber auch bald schon wieder neuen Lesestoff - bis dahin: Ein sonniges Wochenende!

Steffen und Roland

PS: Wer eine gedruckte Version anfordern möchte, kann dies direkt tun auf den Seiten der Friedrich-Ebert-Stiftung. Einzelexemplare des Gutachtens können kostenlos online hier abgerufen werden:
Bitte mit dem Stichwort: Range

Bestellt werden kann auch per E-mail an: Presse@fes.de, Bestellnummer: Puma 6054

Und das als PDF-Dokument könnt Ihr einsehen unter: www.fes.de/medienpolitik

PPS: Auf der FES-Website gibt es auch die Pressemitteilung zur Studie, die die Stiftung vergangene Woche versendet hat.

Donnerstag, 10. Mai 2007

Quiz bringt Klicks

Ich schätze die "Zeit", vor allem seit di Lorenzo sie modernisiert und den Staub rausgeschüttelt hat. Leider bedient sich das ansonsten aufgeräumte Internetportal derselben Taschenspielertricks, die alle anwenden, um ihre Klicks zu steigern. Heute auf der Homepage prominent platziert - ein Memory (-;

Bin gar nicht humorfrei. Und das eine oder andere Game gehört sicher zum Themenmix. Mich umtreibt nur, dass redaktionsferne Spiele/Bildergalerien/Wissenstests/Tools/Tarifrechner in den Internetredaktionen inflationär verwendet und stillschweigend vergötzt werden - nach dem Motto "Verschont die Leute mit Texten, Spiele bringen die Klicks..."

Kühne Behauptung? Überhaupt nicht. Haben wir über Monate untersucht...

"Noch erfolgreicher sind Gewinnspiele oder Rätsel. Virtuelle Adventskalender beispielsweise, die Dutzende Klicks erfordern, bis der Nutzer das richtige Törchen trifft, erweisen sich als Klickmaschinen und haben vielen Angeboten schon die Reichweite gerettet. Zur Klickkosmetik trägt daher im Alltag der Redaktionen der ausufernde Einsatz von Rätseln wie beispielsweise Sudoku bei. Solche Tests sind offenbar so erfolgreich, dass "Spiegel Online" im Herbst 2006 die "Rätselwochen" ausgerufen hat." (S. 65)

Ich weiß, ich ereifere mich immer wieder darüber und sage erstmal nix mehr dazu. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (-;

Mittwoch, 9. Mai 2007

Spiegel Online boomt - finanziell

Spiegel Online wird in Zukunft vermutlich noch mächtiger, weil der Spiegel-Verlag massiv ins Internet investieren will - damit dürfte Spon den Abstand zur Branchenkonkurrenz weiter ausbauen. Und der ist ganz schön groß wie die neuen IVW-Zahlen zeigen.

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lehnte sich der neue Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank weit aus dem Fenster: "Wir werden massiv in den "Spiegel" und massiv ins Internet investieren. Weil wir glauben, dass der Printmarkt schrumpft - das ist seit Jahren so und betrifft nicht vorrangig den "Spiegel" (...) Aber es ist unübersehbar, dass es dort zurzeit kein Wachstum gibt. Im Internet ist es umgekehrt: Da explodieren die Zahlen, auch aufgrund des gesellschaftlichen Strukturwandels. Wer sich darauf nicht einstellt, der wird ein Problem kriegen. Wir nicht: "Spiegel Online" hat im ersten Quartal dieses Jahres sechzig Prozent mehr als im Vorjahr an Anzeigenumsätzen erzielt. "Spiegel Online" wird dieses Jahr einen größeren Anzeigenumsatz verbuchen als das manager magazin. Man müsste sich schon Augen, Ohren und Nase zuhalten, um diese Entwicklung zu verkennen."

Fundsache: Zeitung vs. Internet

Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG (und mein oberster Chef), Mathias Döpfner, hat davor gewarnt, Printmedien und Internet gegeneinander auszuspielen.
"Das Internet ist nicht die neue Zeitung", sagte Döpfner vorgestern in Hamburg. Es werde weder das Fernsehen noch die Zeitung ersetzen. Mit "exklusiven Neuigkeiten, eigenständigen Meinungen und einer eindringlichen Sprache" könnten Zeitungen ihre Stärken gegenüber dem Internet-Journalismus ausspielen. "Die Zeitung muss sich auf sich selbst, auf ihre Stärken besinnen, denn das Bedürfnis nach Orientierung wächst", sagte Döpfner.

Mit seiner Forderung hat Döpfner nicht ganz Unrecht. Leider erscheint es derzeit aber so, dass viele Zeitungen - angespornt durch Readerscan und das Schielen auf Klickstatistiken - genau den umgekehrten Weg beschreiten und die Einschaltquote und den Massengeschmack zum Maß aller Dinge machen... siehe unsere gerade erschienene Studie.

Im übrigen behaupten wir Printredakteure seit Jahr und Tag, dass genau das Bedürfnis nach Orientierung und Einordnung der Zeitung ihren Bestand garantiere. Was, wenn eines Tages ein kluges Nachrichten-Internetportal sich ebenfalls darauf besinnt, nicht nur auf Crap und Fun und Bildergalerien und Rätsel zu setzen? Dann wäre der angebliche USP der Zeitung futsch.

Dass die Nutzer das Bedürfnis nach Orientierung haben und (Print-)Journalisten zugestehen, ihnen dafür besonders probate Leitplanken zu bieten, hoffe ich zutiefst. Ich bin aber immer noch auf der Suche nach der ultimativen wissenschaftlichen Studie, die das belegt und die zeigt, dass jungen Lesern die aufgeladene und glaubwürdige Zeitungsmarke wirklich wichtiger für die schnelle Info ist als ein x-beliebiges Unterhaltungsportal. Für das Gegenteil gibt es leider mehr Studien und Beweise - siehe das kluge Buch von Philip Meyer: The Vanishing Newspaper.

Montag, 7. Mai 2007

Rütteln am Denkmal der Zeitung II

Wahlen - wie jetzt die Präsidentschaftswahl in Frankreich - zeigen immer besonders dramatisch, welchen Bedeutungsverlust die Tageszeitung erlebt. Und wie überholt die Zeitung aus Papier als Trägermedium ist. Vor allem, wenn sie früh angedruckt wird und erst am Dienstag ausführlich über ein Ereignis berichtet, das online schon am Sonntag abend abgefeiert wurde.

Das übliche Fluchtargument in den Print-Redaktionen ist, dass die Zeitung dafür eine besondere Tiefe biete, Aspekte aus interessanten Perspektiven beleuchte und komplexe Themen wie Wahlen grafisch besonders ansprechend aufbereite.

Erstens stimmt das für die meisten Zeitungen angesichts knappen Personals und Zeitmangels in den überlasteten Redaktionen schon lange nicht mehr. Zweitens aber - wenn man ganz ehrlich ist - ist einer umfassenden Berichterstattung wie der in Spiegel Online - mit Flash-Karte, Porträt des Wahlgewinners, Bildergalerie - nichts mehr hinzuzufügen. Schlechte Aussichten für herkömmliche Zeitungen mit einem verbeamteten Redaktionsschluss - oder Munition für hochaktuelle Blätter wie Welt Kompakt, die erst um Mitternacht zumachen.

Wollen wir wetten, dass die meisten Zeitungen uns morgen eine altbackene Wahlberichterstattung präsentieren, so als gäbe es die Konkurrenz aus dem Web nicht?

Sonntag, 6. Mai 2007

Lesenswert: Rütteln am Denkmal der Zeitschriften

Süddeutsche.de hat eine ganz bemerkenswerte Analyse zum Medienmarkt veröffentlicht, die allerdings aus der Feder der Redakteure von "Werben & Verkaufen" (Titelstory, Anm. v. Werkkanon) stammte. Anlass dafür war, dass Gruner + Jahr plötzlich seinen Titel "Woman" eingestellt hat.

Einige Zitate aus der Story, die auch die Ergebnisse unserer Studie exemplarisch untermauern:

"Der Nachwuchs (jüngere Zielgruppen, Anm. v. Werkkanon) liest zwar, aber er tut es im Netz, eine Erfahrung, die beispielsweise auch Brigitte Young Miss machen musste. Als Printtitel rechnete sich das Blatt von Gruner + Jahr nicht mehr und wurde eingestellt. Im Internet aber führt es eine vitale Existenz."

Weiter heißt es, dass das Medium Online für die Werbewirtschaft einige Vorteile biete. Dazu zähle – neben der Messbarkeit – auch die durchlässige Grenze zwischen Inhalten und Werbung. Im Web könne Werbung völlig ungestört den Content beeinflussen, den User interessiere das wenig.

Und Medienwissenschaftler Norbert Bolz folgert in der W&V/Süddeutsche.de-Story: Es sei wichtig für die ,alten‘ Medien, sich auf ihre eigenen Stärken zu besinnen“. Print-Magazine hätten den Vorteil, dass sie als Genuss-Medium fungieren könnten. „Wo Lesen Genießen ist, ist Online keine Konkurrenz.“

IDG-Gründer Pat McGovern bläst in dieser Hinsicht viel lauter ins Horn. Ebenfalls in einem Interview mit dem Branchenblatt "Werben & Verkaufen" heißt es: "Ich gehe davon aus, dass der Online-Bereich schon 2009 bis zu 50 Prozent des Gesamtumsatzes (des IDG-Verlages, Anm. v. Werkkanon) ausmacht. Print wird dann auf etwa 35 Prozent abgesunken sein."

Dass der Online-Markt noch gewaltige Wachstumsmöglichkeiten hat, zeigt sich, wenn man das momentan aufgewendete Werbebudget ins Verhältnis zur Zahl der Online-Nutzer setzt. Der Anteil an der Mediennutzung beträgt 14,6 Prozent, der Anteil am Werbekuchen nur 8,7 Prozent. Der Online-Vermarkterkreis im BVDW wertet dies als immenses Potenzial und prognostiziert, dass die Werbeausgaben innerhalb von kurzer Zeit aufschließen werden. Aussagekräftiges Zahlenmaterial hat der Online-Vermarkterkreis jüngst in seinem Periodikum zusammengestellt: Seite 9f., PDF.

Wenn Printler plötzlich Online entdecken

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen.

Die zur Axel Springer AG gehörende Zeitungsgruppe Welt/Berliner Morgenpost hat vor rund einem Jahr eine Online-Offensive proklamiert und vor einem halben Jahr eine „Online first“ per Pressemitteilung ausgerufen. „Als erstes großes Zeitungshaus bündelt Axel Springer Print und Online in einer Redaktion und schafft damit zugleich die größte integrierte Zeitungs- und Online-Redaktion Deutschlands“, verkündete das Medienhaus vor Jahresfrist. Der mit der Leitung betraute Welt am Sonntag Chefredakteur Christoph Keese rechtfertigte diesen Schritt: „Moderne Medien sind erfolgreich, wenn sie ihre Leserinnen und Leser über alle Kanäle erreichen, die technisch verfügbar sind.“

So weit - so richtig, wenn dies denn vernünftig vorbereitet und durchgeführt wird.

Online-Angebote werden heute häufig entweder unter direkte organisatorische Führung von Print-Mannschaften gestellt oder von bewährten Führungskräften aus den Printredaktionen geleitet. Die Verlagsleitung verspricht sich davon die Einheitlichkeit des Markenauftritts, eine bessere Zusammenarbeit mit der Printredaktion, eine höhere Kompetenz bei der Einordnung von Nachrichten sowie Einsparungen. Die neuen Strategien der Verlage zielen auf eine engere Zusammenarbeit von Online und Print ab. Gute Gründe, doch hapert es oft in der nachhaltigen Umsetzung.

Die Verzahnung von Print und Online wirft neben kürzeren Wegen auch Probleme auf; insbesondere wenn unter Federführung von Printredakteuren konkrete Handlungsanweisungen resultieren, die dem Online-Medium und der Redaktionsstärke nicht gerecht werden.

Wir hören aus zahlreichen Redaktionen, dass viele Führungskräfte Probleme damit haben, den mit neuen Features verbundenen Arbeitsaufwand realistisch zu antizipieren. Die Einteilung journalistischer Ressourcen und Schwerpunktsetzungen erfolgt vielfach vor dem Hintergrund bewährter Printerfahrungen.

Auf dieses Phänomen wird schon länger in der Forschung hingewiesen: „Das in den klassischen Massenmedien angesammelte Wissen über gut funktionierende Produktionsstrukturen und –werkzeuge reicht offenbar nicht aus. Sie lassen sich auf Online-Medien – das zeigen die Beobachtungen in den Redaktionen – offenbar nicht eins-zu-eins übertragen und müssen für dieses neuartige Medium erst gewonnen werden“, schreibt zum Beispeil BARTH 2004 - der Literaturhinweis ist unserer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zu entnehmen.

In vielen uns bekannten Redaktionen erheben Chefredakteure zunächst vergleichbare Forderungen, wenn Online unter ihre Aufsicht gerät. Artikel aus Print – vor allem solche, die nach vorherrschender Meinung als hochwertig angesehen werden – sollen online prominenter zugänglich gemacht werden. Printredakteure sollen stärker in die Online-Produktion einbezogen werden und vor allem exklusive Nachrichten mit kurzer Halbwertzeit direkt auf den Draht geben. Printredakteure sollen Weblogs schreiben.

Das ist grundsätzlich gut. Wenn es die Mitarbeiter nicht in vielen Teilen überfordert. Und: Wenn die Mitarbeiter ausreichend für das Online-Medium ausgebildet werden.

Viele eingangs formulierte Forderungen bleiben utopisch – oder erweisen sich als kontraproduktiv für die Entwicklung von Qualität und Reichweite. Viele Artikel, die Printredakteure als gehaltvoll empfinden, sind online entweder gar nicht und nur nach vorhergehender umfassender Überarbeitung verwendbar, etwa Sonderseiten mit vielen Grafiken, oder sie treffen nicht den Geschmack des Publikums.

Eigentlich sollten sich klassische Printler darüber freuen, zeigt dies doch, dass Online und Print komplementäre Medien sind und daraus resultierend eine gut gemachte und hintergründige, einordnende Zeitung auch morgen noch ihre Bestandsberechtigung hat.

In der Praxis richten die Redaktion ihre Kraft häufig auf Maßnahmen, die zur Verbesserung des Internetangebotes und zur Vergrößerung der Reichweite nur wenig beitragen. Ressourcen der Redaktion werden überdehnt.

Das Ansinnen, Printredakteure zum Schreiben im Online-Medium zu bewegen, vor allem Weblogs zu führen, bringt in 90 Prozent der Fälle weder in nennenswertem Umfang Leser noch Reputationsgewinn, doch demotiviert und belastet es viele Printredakteure. Der Arbeitsumfang wächst. Im Ergebnis resultieren lustlos geführte, inaktuelle Weblogs. Oder die Neuausrichtung kommt über Absichtserklärungen und Pilotprojekte nicht hinaus. Nichts halbes und nichts Ganzes, wie gepenstisch im Wochentakt geführte Weblogs zeigen...

Einige folgerichtige Schritte könnten hingegen den Medienstrukturwandel in Verlagen beschleunigen:

Warum werden Online-Ressortleiter nicht in die assoziierte Chefredaktion berufen, um dem angekündigten Strukturwandel glaubhaft Rechnung zu tragen?

Warum werden Weblogs als Einbahnstraßen genutzt? Viele Weblogschreiber stellen ihre Artikel ein und sehen ihren Job damit als erledigt an. Erst aus dem Feedback, dem Beantworten der Kommentare und dem gegenseitigen Verlinken aber gewinnen Blogs ihre Berechtigung und Werthaltigkeit. Ansonsten hätte man ja auch einen klassischen Kommentar auf die Website stellen und auf Leserbriefe warten können...

Werden Print-Redakteure ausreichend geschult und einbezogen? Inwieweit gibt es Schulungen für onlinegerechte Schreibe? Kurze, präzise Sätze, aussagekräftige Überschriften und all das, was an Lehrstühlen für Online-Journalismus gelehrt wird?

Dies gilt insbesonder für die Verantwortung für ein Weblog. Wenn Ihr Kommentare wollt, lasst die Kollegen Kommentare schreiben. Wenn Ihr Weblogs haben möchtet, so lehrt die Kollegen, dass sie damit in den permanenten Austausch mit dem Leser gelangen müssen, damit ihr Weblog glaubwürdig wird. Dass sie Kommentare ausführlich beantworten, einordnen und sich mit anderen Blogs verlinken müssen. Ansonsten laufen diese Formate ins Leere. Und damit wird auch die damit verbundene Kraft verschwendet, denn ein Blog schafft dann Relevanz und Reichweite, wenn es zu einer Diskussion führt.

Und im Rückschluss: Wer macht sich Gedanken, wie Themen crossmedial gespielt werden können, so dass das Nachrichtliche Online stattfindet, aber am Folgetag die Leser auf der ersten Zeitungsseite kein déjà-vu-Erlebnis erfahren, sondern ein Lesestück dargeboten bekommen, dessen Konsum in der gedruckten Fassung bei Brötchen und Kaffee einfach Spaß macht? Themen planen und Themen crossmedial setzen - diese Fähigkeiten sind gefragt. Das würde beiden Medien helfen, erfordert aber tagtäglich eine systematische Vorbereitung dieser Themenführerschaft und keinen Aktionismus.

Werkkanon sagt dazu: Lasst den Ankündigungen Taten folgen - aber so, wie man es auch bei der Einführung neuer Publikationen macht: Nach gründlicher Vorbereitung, mit schlüssigen Konzepten und mit Ressourcen, die dies auch bewältigen wollen und können.

PS: Konsequenzen, die zahlreiche Verlage bei ihrer Internet-Strategie vermissen lassen, zeigt auch Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer in seinem Weblog auf. Dort heißt es: "Mal verschleuderten die Verlage Millionen, mal waren „schwarze Zahlen“ im Internet-Geschäft das alleinseligmachende Ziel, mal stand das Internet ganz hinten an, mal verkünden alle vollmundig „Internet first!“ Konsequenz gab es leider selten." Zu lesen hier.

Freitag, 4. Mai 2007

Magie der Hitlisten

Wir haben behauptet, dass Klicks in den meisten Nachrichtenportalen unter anderem durch eine Flut an Hitlisten erzeugt werden und u. a. geschrieben:

"Die Orientierung am Massengeschmack bewirkt eine Uniformität der Websites. Texte drehen sich immer um dieselben Themenkomplexe (...) Diese Einheitlichkeit und Eintönigkeit der Präsentation geht einher mit einer Gleichförmigkeit der Textauswahl, die sichere Klickerfolge verspricht: (...) die 100 reichsten Menschen, die zehn schönsten Frauen, Nutzwert, Liebestipps, Bewerben – aber richtig, Fettnäpfchen beim Bewerbungsgespräch und Knigge in allen Varianten versprechen stabile Reichweitenerfolge, so dass diese Beiträge in allen Spielarten zu finden sind".

Willkürliche Kostprobe vom heutigen Abend: Prominente - das sind die 100 wichtigsten im Land, Die 100 einflussreichsten Personen der Welt, Webby Awards 2007: Gute Seiten, auch gute Seiten, Die drei beliebtesten Clubs

Solche Hitlisten sind immer Klickgaranten. Habe mich schon oft gefragt, warum die Rankings immer ganz oben landen im Klickmonitor, selbst wenn sie hanebüchen sind. Vermutlich, weil sie das vorgaukeln, was man dem Journalismus als Königstugend noch immer zuschreibt (und was unter Zeitdruck in den Redaktionen, der Last der detailverliebten und newsgetriebenen Tagesaktualität oder verbuscht in zu tiefer Fachkenntnis kaum mehr geschieht): Einordnung und absolute Gewissheit bieten.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Sex sells...

Stern.de hat heute eine Glanzleistung vollbracht. Eva Longoria - Von Fesselspielen und String-Tangas titelt die Redaktion in der Rubrik Lifestyle und Reise. Die von DPA übernommene Meldung fördert sodann auch unglaublich Überraschendes zutage:

Bald werde der "Desperate Housewives"-Star heiraten.

Okay, das mag eine Nachricht sein.

Nun habe sie einer Zeitschrift erzählt, wie sie sich das Sex-Leben in der Ehe vorstelle.

Das verspricht Spannung pur.

Sie lasse sich gern mit Seidentüchern festbinden, sagte die 32-Jährige der Meldung zufolge dem People-Magazin "InTouch".

Mannomann. Das ist ja mal neu und ausgefallen. Wahnsinn.

Um für ihren Zukünftigen sexy zu bleiben, trage sie ausschließlich String-Tangas. Sie besitze keine einzige Unterhose mit Rückseite.

Vielleicht sollte sich die Dame mal einer professionellen PR-Agentur anvertrauen, die ihr erzählt, dass das seit fünf Jahren 85,79 Prozent aller Frauen so machen und dass das daher nicht sooooo ganz besonders innovativ ist?

Aber weiter, gleich kommt's bestimmt:

Angetan sei Eva Longoria abgesehen von ihrem Verlobten von George Clooney und Johnny Depp.

Spätestens da haut's einen doch völlig vom Hocker.

Leute, Leute, wenn schon eine Meldung, die ein so dermaßen dünnes Süppchen ist, dann macht die doch wenigstens durch zwei spannende weitere Abschnitte etwas schmackhafter, in denen Ihr noch ürgendwat Spannendes dranrecherchiert.

Ach übrigens: Knut geht es gut, denn das Eisbärbaby hat jetzt auch bei den Öffentlich-Rechtlichen seine virtuelle Heimat gefunden.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Mal wieder Politik auf Spon

Spiegel Online begleitet die französischen Präsidentschaftswahlen mit einem schönen Livestream des Fernsehduells, einem interaktiven "Ted", bei dem man die Argumente der Kandidaten bewerten kann und einer - etwas dünnen, aber lobenswerten - Einordnung durch einen Journalisten. Im Prinzip gut! Das können Zeitung und Fernsehen so nicht. Hier spielt das Web seine Stärken aus.

Leider - sicher um die wegbrechenden Quoten wegen der Frankreich-Wahl zu kompensieren (-; - auch wieder eines dieser unvermeidlichen Ratespiele auf einem Aufmacherplatz, diesmal geht es um das weitgehend sinnfreie Überflieger-Quiz.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ist ja beinahe einer unserer Evergreens: Wissenstests aller Art sind einer der Stützpfeiler der Newsportale, um Klicks zu generieren. Wirkungsvoll, bisweilen etwas hohl. Das Phänomen haben wir auch mit einem extra Kapitel bedacht in unser Studie für die Ebert-Stiftung.

"Selbst ohne aktuellen Anlass, ziehen Redaktionen gern zeitlose und irrelevante Meldungen auf einen Aufmacherplatz – bloß um das angehängte Quiz prominent einführen zu können. Sie betreiben also Reichweitenmanagement statt Themenführerschaft zu verfolgen." (S. 66). Quod erat demonstrandum.

Focus Online postet auf Twitter.com

Linkspam für Relevanz der eigenen Site oder intelligenter Kanal? Die Meldungen von Focus Online erscheinen neuerdings auch auf Twitter.com. Die Pressemitteilung dazu gibt's hier.

Die Nutzer des Dienstes schreiben dort - zumeist in Wort- oder Satzfetzen, was sie gerade umtreibt. Auch New York Times und BBC News vertreiben dort ihre Schlagzeilen.

Nachtrag: Der Aktionismus, der aktuell einige Redaktionen umtreibt, wird sehr treffend beschrieben im Ad-hoc-Blog von Julius Endert... Enjoy!

Zeitungen gegen Öffentlich Rechtliche

Die Zeitungsverleger fordern ARD und ZDF einer Meldung von medienhandbuch.de zufolge auf, die Expansion ihrer Online-Angebote zu beenden. Mit der Praxis der vergangenen Jahre, ständig neue Dienste zu entwickeln und dafür stets eine Erhöhung der Rundfunkgebühren zu fordern, solle endlich Schluss sein, zitiert der Online-Dienst einen Sprecher des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

Jede Erhöhung der "Zwangsgebühr" belaste das Medienbudget der Bürger zusätzlich; zudem verzerrten die ausufernden Angebote den Wettbewerb. Anders als ARD und ZDF sind die Verlage darauf angewiesen, im Internet Geschäftsmodelle zu entwickeln - Werbeerlöse zu generieren und Bezahlangebote zu schaffen. Den Öffentlich Rechtlichen wiederum ist es gar nicht gestattet, werbefinanziert zu arbeiten. Ein Konflikt, aus dessen Konsequenz hervorgeht, dass die Öffentlich Rechtlichen befürchten, im Netz künftig keine ausreichende Rolle zu spielen.

Andererseits wird Kritik geübt an Angeboten, die über den öffentlichen Auftrag hinaus gehen. Beispielsweise betreibt Einslive eine kostenlose Partnerbörse namens "Liebesalarm".

Welchen Problemen sich rein kommerzielle Web-Services aktuell stellen müssen, hat Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache) beispielhaft zusammengeschrieben:

Zitat von Handelsblatt.com: "Am Dienstagmittag, 13 Uhr US-Zeit, entfernte die Internet-Nachrichtenplattform Digg den Link zu einem Artikel darüber, wie DVDs mit hochauflösenden Filmen geknackt werden können. Acht Stunden später ist nicht nur dieser Link wieder da, sondern Hunderte andere zum Thema – und Digg vielleicht bald nicht mehr: Das Start-up aus dem Silicon Valley könnte zum Symbol dafür werden, welche Macht die Nutzer einer Plattform über deren Betreiber haben – bis hin zum geschäftlichen Exitus."

Werkkanon sagt dazu: Das ist Lesegold!

Bock auf Randale

Nur eine kleine Randnotiz. Die Berichterstattung über die vermeintlichen Maikrawalle am 1. Mai in Berlin zeigt eindrucksvoll, dass sich etliche Newsportale nicht allein als Beobachter und Chronisten der Ereignisse verstehen, sondern sich zum Teil einer Inszenierung machen.

Und zu einer solchen Inszenierung lädt die scheinbare Gewaltorgie in Berlin ein, obwohl - im Vergleich zu den Vorjahren - viel weniger passiert...

Besonders umtriebig erscheint Spiegel Online. Mehr als pflichtschuldig scannt die Redaktion den ganzen 1. Mai über das Geschehen. Klar, an einem nachrichtenarmen Feiertag gibt es nicht viele andere Themen. Doch an diesem Tag führt Spiegel Online seine Leser in die Irre: dadurch, dass ein absolutes, dazu noch regionales, B-Thema hochgejazzt wird und die Berichterstattung eine falsche Tendenz bekommt.

Der Homepage-Teaser samt Fotos von Steinewerfern vor brennender Kulisse erweckt einen verheerenden Eindruck von den Zuständen in der Hauptstadt: "Sie warfen mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern auf Polizisten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde aus der friedlichen Maidemo im Berliner Stadtteil Kreuzberg doch wieder eine Randale-Nacht. "

Ein klassischer Teaser, wie er sich eingebürgert hat - Appetithäppchen hinwerfen, auf Reizwörter setzen (Randale), reißerisch ans (spröde) Thema rangehen. Am Ende der umgeschriebenen und - gemessen am Teaser - aufgeblasenen Agenturmeldung steht dann übrigens, dass es in diesem Jahr viel friedlicher war als sonst. Und auch den entsandten Reportern scheint nicht ganz wohl bei ihrer Aufgabe, sie berichten - trotz knalliger Anmoderation (Party, Pöbeln, Polizei) - von einem "boring day".

Das alles ist nicht weiter schlimm. Jedenfalls, wenn man die (meisten) Newssites des Jahres 2007 als Bespaßer oder Entertainer ansieht, die einem in erster Linie eine gut konsumierbare Story und Fun liefern - statt sie als legitime Nachfolger der Zeitung zu betrachten, die informieren und einordnen wollen.

Bei faz.net heißt es übrigens langweilig, nüchtern - aber korrekt im fotolosen Teaser auf der Homepage: "Die Polizei spricht von einem „erfreulichen Rückgang der Gewalt“, dennoch mussten am Vorabend des 1. Mai rund 70 Randalierer in Berlin festgenommen werden. Mit den Ausschreitungen vergangener Jahre ist dies allerdings tatsächlich nicht mehr zu vergleichen."

Dienstag, 1. Mai 2007

(Fach-)Verlagsmanager fürchten Google & Co.

Ganz interessante Aspekte beleutet eine Story über "Fachverlage im Fusionsfieber" der Zeitschrift "Werben & Verkaufen". In den hinteren Absätzen setzt sich das Blatt mit der Entwicklung digitaler Produkte auseinander. Es heißt dort, dass familiengeführte Fachverlage oft notwendige Investitionen scheuen, "um den gelegentlich steinigen Weg ins Online-Zeitalter zu gehen." Sie sind sich unsicher, ob sie mit digitalen Angeboten Geld verdienen. Aber nicht nur das: Sie fürchten auch neue, starke Konkurrenten. 63 Prozent der im Rahmen einer von W&V durchgeführten Umfage befragten Verlage davon aus, dass Suchmaschinen wie Google oder Yahoo mit speziellen Angeboten den etablierten Anbietern von Fachinformationen künftig das Leben schwer machen. Die Fachverlage sehen in Google & Co. eine große Bedrohung, schreibt W&V.

Das überrascht doch eigentlich. Denn ausgerechnet dort, wo Information nicht "Commodity" sind und sich durchaus bezahlpflichtige Angebote durchsetzen ließen, wird der Kampf gegen die Suchmaschinen erst gar nicht aufgenommen?

Offenbar verkaufen Eigentümer ihren Verlag lieber als sich dem neuen Medium zu stellen. Schade das.

BDZV-Präsident Helmut Heinen ist da optimistischer. Mit Blick auf die Lage der Zeitungen, deren Auflage im ersten Quartal 2007 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 600.000 Exemplare zurückging, sagte er: "Natürlich machen uns sinkende Auflagen zu schaffen. Doch was wir an gedruckter Reichweite verlieren, wollen und können wir elektronisch und digital hinzugewinnen", berichtet der Online-Mediendienst Newsroom.

Er sieht demnach als Herausforderung für die Zetungen, dass sie die Leser "dort abzuholen, wo sie sind - online oder mobil, mit Podcasts, Vodcasts oder Internet-TV" (...) und wenn gerade auch bei den jüngeren Leser dies eher im Internet der Fall sei", dann eben im dort.