Montag, 30. April 2007

Gekaufte Reichweite über Amokläufe

Wer die Businessweek vom 7. Mai aufschlägt, findet eine Story "Buying Clicks to a Tragedy" und der Unterzeile: "How news outfits boost Web traffic when stories like Virginia Tech break"

Alle kauften kräftig bei Google und Yahoo ein um Reichweiten einzusammeln: New York Time, Washington Post, CNN und auch das Time Maganzine. Der Amoklauf wurde nicht nur zum Medienevent, sondern regelrecht zur Cash-Cow.

"Mit stetig wachsenden Einnahmemöglichkeiten durch Onlinenews drängen die Marktteilnehmer ihre Onlinereporter um große Storys", schreibt BusinessWeek.

Dass Tragödien zum Marketingevent werden, erscheint so lange okay, wie persönliche Schicksale nicht aufgebauscht und zur Sensation hochgespielt werden, um Arbitrage-Gewinne einzufahren. Spätestens dann sollte ein Redakteur doch Bescheid sagen...?

In der Woche der Virginia Tech-Tragödie kosteten Google-Anzeigen zum Thema, die beispielsweise „Virginia Tech massacre“ als Keywords hatten, dem Magazin zufolge rund fünf Dollar pro Klick. Eine Woche später sank der Preis auf fünf Cent.

Experten verwenden spezielle Techniken um Redakteure auf eine optimale Darstellung der Artikel zu schulen. Dies funktioniert besonders gut durch den Einsatz von einschlägigen Überschriften.

Tolle Leistung.

PS: Welt.de kauft seine Reichweite dann doch lieber über seichte und unverfängliche Themen ein und hat dazu extra ein Knut-Special aufgesetzt:

Sonntag, 29. April 2007

Wie der "Stern" seine Partnervermittlung pusht

Übrigens liefert stern.de heute auf einem Aufmacherplatz wieder ein Beispiel dafür, wie die Grenzen zwischen Kooperationen und Redaktion verwischen bzw. wie - angetrieben durch kommerzielle Interessen - irrelevante, wenngleich klickträchtige Themen prominente Plätze auf bedeutsamen Homepages erobern... der redaktionelle Beitrag als Vehikel, um gewerbliche Kooperationen, in diesem Fall offenbar die Parship-Partnervermittlung und verwandte Angebote, zu promoten!

Wortreich angefeatured heißt es da: "Single-Umfrage Weblich, ledig, jung sucht... Wie wichtig sind Männern die Kochkünste der Frauen? Muss der Mann von heute noch den Alleinversorger geben? Mehr als 10.000 Singles befragte die Online-Partnervermittlung Elitepartner.de, um herauszufinden, was einsame Herzen wirklich begehren"

Die so genannte Umfrage bei stern.de ist im wesentlichen eine belanglose und biedere Bildergalerie...

In unserem Gutachten für die Ebert-Stiftung haben wir das Problem aufgegriffen: "Das Problem im Internet besteht im Aufkommen neuer Werbeformen und Finanzierungsmodelle, die die Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen unmöglich machen. Die Ideen dazu sind vielfältig: Inmitten von Artikeln der Redaktion wird, oft kaum abgesetzt, für Shops und Produkte geworben oder auf Bestellmöglichkeiten für Bücher verwiesen. Ob die entsprechenden Links von der Redaktion auf Seriosität geprüft wurden oder ob die Redaktion durch Provisionsmodelle an Geschäftsabschlüssen mitverdient, bleibt verborgen.Vorreiter dieser Praxis, Marketing und Redaktion zu vermischen, sind Angebote wie „T-Online“ und „Bild.de“. Angeblich erzielt „Bild.de“ durch Provisionserlöse einen Großteil seiner Einnahmen. Der Nutzer verliert im Vergleich zur klar gekennzeichneten und getrennten Anzeige in Zeitung oder Magazin den Überblick. Im Online-Layout mit der Flut an Bannern, Links und Buttons ist die Verflechtung zu einem undurchsichtigen Dickicht angewachsen" (...) "Nimmt die Redaktion den Auftrag eines Werbekunden an, verstärkt Inhalte für die Kampagnen in einer Rubrik oder einem gesponserten Special zu produzieren, kann sie schnell in einen Teufelskreis geraten: Zum einen verdrängt das Interesse des Anzeigenkunden – beispielsweise an Texten zum Thema Autos – jene Themen, die nach redaktioneller Gewichtung im Vordergrund stehen müssten – die Website wird im Zweifelsfall also unattraktiv oder stellt im schlimmeren Fall ein Zerrbild der tatsächlichen Nachrichtenlage dar. Zum anderen erhöht sich der Druck auf die Redaktion, Leser gerade in die aus Sicht der Werbekunden attraktiven Bereiche zu lotsen."

Freitag, 27. April 2007

Stolze BBC-Online-Redaktion

"Es gibt keinen besseren Arbeitsplatz", zitiert sueddeutsche.de die Chefredaktion der Londoner BBC Online. "Junge Journalisten werden in ein paar Jahrzehnten voller Hochachtung auf unsere Epoche zurückblicken, auf die fundamentalen Veränderungen, die hier vonstattengingen", sagt Paul Brannan, stellvertretender Chefredakteur der BBC Newswebsite im Interview.

Die Story führt aber im Folgenden zwei interessante Aspekte auf - auch in England haben Online-Websites so ihre Probleme:

1. Wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland wird das BBC-Portal durch Rundfunkgebühren refinanziert und steht von Seiten der Gebührenzahler unter Beschuss, die das Onlineangebot nicht nutzen.

2. Auch in Enland sind Online-Journalisten derzeit noch nicht besonders hoch angesehen, denn nach dem Universitäts-Massaker in Virginia seien zunächst alle Fernseh- und Radio-Nachrichten versorgt worden, bevor dann auch eine Analyse für die Onlineausgabe abgefallen sei.

Das ist bei uns ja ähnlich.

PS: Ach ja, Wichtiges vom Tage: Russischer Milliardär kauft J. Lo, 16 Bilder zur Diva auf Reisen. Enjoy.

Mittwoch, 25. April 2007

Ist das Reichweitentool ein Mittel für den Leserdialog?

Professor Klaus Meier von der Uni Darmstadt rezensiert das Gutachten und kommt zum Schluss, dass wir mit der Studie zum Thema "Qualität im Netz" in alte Denkmuster verfallen: In seinem Blog heißt es: "Es ist ja richtig, dass der Boulevard im Online-Journalismus zugenommen hat und dass der ökonomische Druck auf Online-Redaktionen viele ungute Auswüchse hat. Aber das ist eben nur die eine Seite. Wie unsere Studie zur Verwendung der Klickzahlen in Online-Redaktionen zeigte, sind sich die Online-Journalisten der Gefahr weitgehend bewusst. Und: Diese Tools können auch zum Qualitätsmanagement eingesetzt werden (z.B. bei der Frage wie komplexe Themen am besten geteast werden können). Der Journalismus hatte ja traditionell keinen Kontakt zum Publikum, was Gotz und Langenbucher schon in den 60er Jahren mit dem wegweisenden Buch “Der missachtete Leser” kritisierten. Range und Schweins verfallen in die alten Muster: Das Publikum und seine Wünsche sind der Feind des guten Journalismus. Sinnvoller ist es, die Bedürfnisse des Publikums ernst zu nehmen und Quotentools reflektiert zur Optimierung des Qualitätsjournalismus einzusetzen. Leider gibt es in dem kulturpessimistischen Haudraufgutachten dazu kaum Hinweise."

Danke für die Kritik. Nur mit Kritik kommt man in eine ernsthafte Diskussion.

Ein genauer Blick auf die von Professor Meier benannte Studie zeigt folgendes Fazit:

"Fast alle Befragte betonen, es sei eine zu kurzfristige Strategie, würde man die Klicks durch eine verstärkt boulevardeske Ausrichtung hochschrauben wollen. Diese Einschätzung führen die Journalisten auf die Annahme zurück, dass sich das Publikum von Informationsmedien abwendet, wenn es sie als weniger seriös und glaubwürdig einschätzt. Der langfristige Erfolg einer Nachrichten-Website hängt demnach davon ab, dass Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufgebaut werden können."

Genau so sehen wir das auch. Und genau das differiert zum Status Quo!

Nun stellen sich folgende Fragen:

Warum ist heute ein Behördisch-Quiz Aufmacher bei Spiegel Online? Ist dies dem mündigen Klicken und der qualitativen Auswertung von Messinstrumenten wie Reichweitentools geschuldet? Kommt man so in einen Leserdialog?

Warum integriert die Süddeutsche Online heute ein Sommerreifen-Special mit Bildern aus Pirelli-Kalendern in den Header ihrer Site? Ist dies ein Fortschritt, der sich aus dem Leserdialog ergibt? Oder warum glauben Sie, steht das dort?

Warum hat n24 Online auf der Homepage ein Simpsons-Quiz und im Kontext ein Knut-Quiz?

Wenn man nun von alten Denkmustern spricht: Ist es denn das, was die Leser wollen? Ist das Leserdialog? Die Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung geht über die Kenntnisse des Verhaltens von Lesern weit hinaus. Sie ordnet das oben exemplarisch beschriebene Verhalten, das realiter auf den Startseiten stattfindet, in ein umfassendes Reichweiten- und Wahrnehmungsproblem und eine daraus resultierende Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein.

Die Klick-Quote allein für den Leserdialog zu halten und darauf zu vertrauen, dass Themen nicht nach Quote, sondern nach "Long Tail" gewählt werden, greift hier wiederum viel zu kurz. Das sind zudem Erkenntnisse, die die Redaktionen bereits vor etlichen Jahren vollzogen haben. Diese Lernkurve ist wenig hilfreich für die Zukunft, in der sich (teure) Redaktionen mit einer zunehmenden Medienvielfalt auseinandersetzen müssen.

Probleme und Fehlentwicklungen muss man beim Namen nennen dürfen - auch wenn dies für manche unbequem erscheinen mag. Besitzstandswahrer werden sich jedenfalls mit reinen Quoten keine qualifizierte Leserschaft erschreiben können. Das gelingt mit einer Qualitätsoffensive und dem Konzentrieren auf klare Kompetenzen. Und das dies unter ökonomischen Gesichtspunkten eine wachsende Aufgabe ist, lässt sich wohl kaum abstreiten. Oder?

80 Prozent der Blogs sollen verseucht sein

Medienhandbuch.de berichtet unter Referenzierung auf computerwoche.de über eine Analyse eines Sicherheitsdienstleisters, dass Weblogs vor anstößigen Inhalten wie Pornographie, vulgären Ausdrücken, und Hasstiraden nur so strotzen. Computerwoche.de verwendet im Titel ein ganz tolles, leider aus der Mode gekommenes Wort dafür: "...mit Unflat überschwemmt". Der Auswertung des "Global Threat Report" nach wiesen im März 2007 rund 80 Prozent der Blog-Sites anstößige Inhalte auf. Um als anstößig eingestuft zu werden, reichte es allerdings, wenn eine Site ein einziges Posting mit einem vulgären Ausdruck enthielt. Werkkanon, das Blog, das ja den Finger in die Wunde von Reizwörtern auf redaktionellen Websites legt, würde demnach dazu gehören. So zieht Medienhandbuch.de denn auch den Schluss, man solle nur den Statistiken glauben schenken, die man selbst gefälscht hat.

Einer Einschätzung von Mathias Müller von Blumencron zufolge, immerhin Chefredakteur von Spiegel Online, liegt die Quote wertloser Blogs noch viel höher. Erinnert sei hier an sein Interview, das er der Redaktion von onlinejournalismus.de im Oktober 2004 gab und in dem es heißt: "... heutzutage muss eben alles Blog heißen. Dazu kommt, dass 99 Prozent der Blogs einfach nur Müll oder zumindest journalistisch einfach nicht relevant sind. Es handelt sich um eine interessante Entwicklung, die aber den Journalismus nicht grundsätzlich verändern wird." Fehleinschätzung. In der Realität bedrohen gute Blogs durchaus die redaktionelle Kompetenz. Zweieinhalb Jahre später gehören Blogs zum Recherchereservoir von Journalisten und stellen deren Glaubwürdigkeit gleich reihenweise in Frage.

Im Internet hat sich inzwischen eine riesige Grauzone um den Journalismus herum gebildet. Subsumiert wird der Boom von Weblogs und sozialen Netze bekanntermaßen unter dem Schlagwort „Web 2.0“. Dieser Begriff beschreibt Veränderung von Kommunikationsbeziehungen zwischen Website-Anbietern und Website-Nutzern. Die Nutzer erschaffen die Inhalte selbst oder erstellen sie im Kollektiv. Ob diese neuen Angeboten auch wirtschaftlich erfolgreich sind, muss sich erst noch zeigen. Ende 2006 beeindruckten sie in erster Linie durch ihre große Reichweite. Die Umsätze hielten sich in Grenzen.

Fast alle klassischen Medienunternehmen wollen auf den Zug aber inzwischen aufspringen, wie beispielsweise die BBC: Surfer sollen Texte, Musik und kleine Videos auf die BBC-Site stellen und austauschen. Von Spöttern wird das Projekt als BBC 2.0 bezeichnet. Auch der Nachrichtensender CNN fordert inzwischen seine Zuschauer auf, eigene Nachrichtenfilme zu erstellen und sie auf die eigens dafür eingerichtete Website CNN Exchange zu laden.

Die wachsende Beliebtheit neuer Übertragungsformen zeigt auch Auswirkungen auf die Online-Ableger der Printmedien in Deutschland. Vordergründig darin, dass Verlage sich der neuen Stilformen, insbesondere Weblogs, Videoblogs und Podcasts wie elektrisiert bedienen, im Bestreben, modern zu wirken. Zahlreiche Verlage betreiben redaktionell begründete Weblogs im Internet. Häufig allerdings ohne sich mit der Blogosphäre zu vernetzen, was den Sinn eines Weblogs ad absurdum treibt, hätte doch in diesem Falle ein klassisches Artikelformat gereicht.

Ein hoher Anteil der Blogger und Peer-to-Peer-Anbieter interpretiert wiederum die eigene Rolle als journalistisch, die Nutzer sind von einem Sendungsbewusstsein beseelt. Selbst wenn die meisten Blogger diesem Ansspruch nicht gerecht werden, ist nicht von der Hand zu weisen, dass den klassischen Medien durch die Akteure und Protagonisten der neuen Darstellungsformen (nicht nur zahlenmäßig) starke Konkurrenten erwachsen.

Redakteuren, Chefredakteuren und wird ein Teil ihrer Macht und Deutungshoheit genommen. So stellt der Medienwissenschaftler Norbert Bolz fest: „Wir beobachten derzeit eine Art Entthronung der Meinungsführer. Es gibt zwar noch jede Menge Kommentare und Meinungen, aber wir orientieren uns nicht mehr an Meinungen, sondern nur noch an Themen.“

Dienstag, 24. April 2007

Die 100 besten Biere der Welt als Bilderstrecke auf sueddeutsche.de

...der arme Tropf bei der Süddeutschen, der das zusammendengeln musste ;-)

Danke für den Verweis auf unsere Studie an Stefan Niggemeier in seinem Beitrag. Danke zudem für den Beitrag des Netzjournalisten. Danke schließlich beiden Blogs für den anschaulichen Verweis auf die lustige Galerie der Kollegen von der Süddeutschen. Und wer die ganzen Biere jetzt durchklicken möchte, kann dies hier tun: Prosit!

PS: Spon's Rindvieh Uschi ist auch nicht schlecht ;-)

dpa hat was ausgebuddelt: Italienerin sprang nackt in Trevibrunnen

Ist das nicht Wahnsinn, was die Nachrichtenagentur dpa da recherchiert und rausgefunden hat? "Italienerin sprang nackt in Trevibrunnen in Rom" - wow.

Laut der Deutschen Presseagentur gab es demnach eine "nackte Kopie von La dolce Vita, weil eine 40-jährige Italienerin unbekleidet im weltberühmten Trevibrunnen gebadet hat. Die Meldung hat es zum Aufmacher bei Web.de geschafft.

Wenigstens hatte sie einem Urteil der Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" zufolge ein unschuldiges Lächeln und eine nette Art", sonst wäre diese Meldung ja auch nicht meldenswert gewesen. Und: Die Badende hat offenbar den fotografierenden Flaneuren zugewunken. Das Team von Werkkanon wird den Autor dieser Meldung für den Pulitzer-Preis vorschlagen. Mindestens.

Montag, 23. April 2007

Bei Myspace gibt's jetzt News

Das zum Medienkonzern News Corp. von Rupert Murdoch gehörende Community-Portal MySpace erweitert sein Angebot um aktuelle Nachrichten, berichtet der Branchendienst kontakter.de. Der neue Dienst "MySpace News" ähnelt Google News.

Mitglieder können ihre Top-News selbst wählen. Im nächsten Schritt wird es neben den aktuellen globalen Nachrichten auch regionale News und Veranstaltungshinweise geben.

Sonntag, 22. April 2007

"Behördisch-Quiz" erobert Aufmacherplatz bei Spiegel Online

Habt Ihr im gedruckten Spiegel schon mal ein Ankreuz-Quiz gesehen? Nein? Würde der Spiegel mit einem Ratespiel auf der Titelseite aufmachen?

Spiegel Online jedenfalls tut's (Kurz unter Prinz Harry als fünftwichtigstes Thema des Tages;-). Auf in die Betroffenheitsjournalismus-Klickschleuder: Enjoy